Sensori-neurale Ursachen

Post-traumatische Riechstörungen

Die erste posttraumatische Anosmie wurde 1864 über einen 50jährigen Patienten, der vom Pferd stürzte und danach nicht mehr riechen konnte, publiziert [1]. Überhaupt scheinen Männer eher betroffen zu sein, Hendriks 1988 [2] beschreibt das Verhältnis Frau : Mann zu 1 : 4,5. Das bevorzugte Alter liegt bei 15–24 Jahren [3]. Costanzo und Zasler [4] schätzen die Anzahl auf 1 Betroffenen von 400 US-Bürgern.

Das Auftreten einer Riechstörung scheint mit der Schwere der Unfälle zu korrelieren. So haben Heywood et al. 1990 [5] eine Auswertung durchgeführt mit der Glasgower Komaskala (GCS)

Trauma GCS Riechstörung
leicht 13–15 13 % anosmisch,
27 % Geruchsidentifikations-Schwierigkeiten
mittelgradig 9–12 11 % anosmisch,
67 % gewisses Ausmaß an Riechdefizit
schwer 3–8 25 % anosmisch,
67 % gewisses Ausmaß an Riechdefizit

Wichtig für eine Entstehung von Anosmie scheint ebenfalls die Aufprallrichung zu sein. Während der frontale Aufprall 8fach häufiger auftritt als der occipitale, ist das Risiko, eine Anosmie zu bekommen, beim occipitalen Aufprall etwa 5fach höher [2].

Eine Parosmie oder Phantosmie wird in 25–33 % der Patienten mit Trauma beschrieben [6]. Beide Phänomene nehmen aber im Laufe der Zeit ab, entweder aufgrund eines Adaptationsphänomens oder im Sinne einer Regeneration.

Die drei grundlegenden Mechanismen bei der post-traumatischen Riechstörung sind:

Mittelgesichts-Schädelbasis-
frakturen
  • Hämatom
  • Ödem
  • Verletzung direkt im Bereich der Riechrezeptorzellen
  • Fraktur der Lamina cribrosa, des Ethmoids, Nasenskelettes, Schädelbasis oder des Septums mit behinderter Nasenatmung und Verlegung der olfaktorischen Riechrinne
  • Synechiebildung, Vernarbungen mit gleichem Effekt
Abriss der Filiae olfactoriae im Bereich der Lamina cribrosa durch Scherbewegung
  • häufig stumpfe Schädel-Hirn-Traumata
Gehirnblutungen oder Kontusionen
  • Aufgrund der Projektion auf Temporallappen, Frontallappen, Amygdala, ... findet selten eine komplette Anosmie statt; meist finden sich neben der Riechstörung weitere neurologische Ausfälle

Doty et al. 1997 [6] beobachteten die Entwicklung von post-traumatischen Riechstörungen 1 Monat bis 13 Jahre nach dem Unfall bei 66 Patienten. 36,6 % der Patienten hatte eine Verbesserung des Riechvermögens, 45 % blieben unverändert, und in 18 % verschlechterte sich das Riechvermögen. In einer Testung mit dem UPSIT hatten lediglich 5 % (3 Patienten) eine normale Riechfunktion. Von den Patienten, die dachten, das Riechvermögen bessere sich, hatten weniger als die Hälfte eine statistische Verbesserung im UPSIT.

Costanzo und Becker [7] behaupteten, dass die Riechstörung mit sicherer Wahrscheinlichkeit bleibt, wenn ein Zeitraum von 6 Monaten bis 1 Jahr nach dem Unfall verstrichen ist.

[1] Jackson JH. Illustrations of diseases of the nervous system. London Hospital Report. 1864. 1:470-471.

[2] Hendriks AP. Olfactory dysfunction. Rhinology. 1988 Dec;26(4):229-51.

[3] Costanzo RM, DiNardo LJ, Reiter ER. Head Injury and Olfaction. In: Doty L (Ed.). Handbook of Olfaction and Gustation. 2nd rev. and exp. ed. New York 2003.

[4] Costanzo RM, Zasler NO. Head trauma. In: Getchell TV, Doty RL, Bartoshuk LM, Snow Jr JB (Eds.) Smell and Taste in Health and Disease. New York. 1991.

[5] Heywood PG, Zasler ND, Costanzo RM. Olfactory screening test for assessment of smell loss following traumatic brain injury. Proceedings of the 14th Annual Conference on Rehabilitation of the Brain Injured. Williamsburg, Virginia, 1990.

[6] Doty RL, Yousem DM, Pham LT, Kreshak AA, Geckle R, Lee WW. Olfactory dysfunction in patients with head trauma. Arch Neurol. 1997 Sep;54(9):1131-40.

[7] Costanzo RM, Becker DP. Smell and taste disorders in head injury and neurosurgery patients. In: Meiselman HL, Rivlin RS (Eds.). Clinical Measurements of Taste and Smell. New York. 1986.